(Text: © Werner Overbeck,
2001)
Silbervogel der Westumer
Einigkeit um 1600:
Ältester Nachweis des
Emsdettener Schützenwesens?
Seit wann werden in Emsdetten Schützenfeste gefeiert? Diese
Frage wird von Heimatforschern oder passionierten Schützen immer wieder
gestellt, weil aus der Anfangszeit der Schützenvereine keine Schriftstücke
überliefert sind, die das Gründungsdatum eindeutig belegen. Meist wird daher
der älteste Nachweis als Gründungsdatum angenommen. Das kann das älteste, mit
Jahreszahl versehene Schild an der Königskette oder ein kleiner Hinweis in
einem alten Dokument sein.
Einige Schützenvereine in Emsdetten besitzen jedoch
noch Silbervögel, die zum Teil sehr alt sind. Aber leider ist das exakte Alter
in der Regel nicht nachweisbar, weil keine Jahreszahl eingraviert ist. Somit
ist man auf Vergleiche mit Silbervögeln anderer Schützengesellschaften
außerhalb Emsdettens angewiesen, deren Alter feststeht. So haben die Hollinger vor fünf Jahren festgestellt, dass ihr
Silbervogel eine sehr große Ähnlichkeit mit demjenigen der Langenhorster
Schützengesellschaft aufweist, der aus dem Jahre 1652 stammt. Damals schloss
man daraus, dass dieser Silbervogel „nach dem jetzigen Forschungsstand der
älteste Emsdettens" ist („Emsdettener Volkszeitung" vom 22. Juni
1996).
Diese Feststellung von damals ist nach heutigem Stand
der Erkenntnisse wohl überholt: Die Westumer Einigkeit hat eine Expertise zu
ihrem Silbervogel von Dr. Helmut Müller, Mitarbeiter des
Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs in Münster und ausgewiesener Experte des
„Vogelschießwesens" im Münsterland, eingeholt. Zum Ergebnis seiner
Nachforschungen schreibt Dr. Müller am 19. April 2001 an Hermann-Josef Grunwald, langjähriger Vorsitzender der Westumer Einigkeit:
„Wie ich Ihnen schon früher einmal bei einem Besuch im
Staatsarchiv andeutungsweise gesagt habe, ist der Silbervogel Ihrer Kette wohl
um 1600, wenig früher oder später, zu datieren. Zum Vergleich können die
Kleinode der Prinzen-Schützen und der Ostendorfer Schützen in Borghorst dienen,
die 1601 bzw. 1615 zu datieren sind. Auch das Kleinod der Bevergerner
Bürgerschützen, 1597 datiert, kann zum Vergleich herangezogen werden. Nicht
unähnlich sieht der ältere Vogel der Nienborger Bauerschaft Wext aus, der sich
allerdings nicht genau datieren lässt. Vergleichbar sind schließlich die
Kleinode der Jungen Schützen in Dülmen von 1607 und der Sankt-Pankratius-Schützen
in Gescher von 1616."
Bekannt ist, dass es die ersten Silbervögel lange vor den
Königsketten mit den silbernen Schildchen, in das der Name des Königs mit der
Jahreszahl eingraviert wurde, gab. Die ältesten, noch erhalten gebliebenen
Königsschilder stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Das älteste
Königsschild in Emsdetten besitzen die Westumer: Es stammt aus dem Jahre 1713.
Der Silbervogel wurde ursprünglich dem neuen König als
Zeichen seiner Würde umgehängt. So heißt es in einem Bericht über die
Schützenfeste der Lüdinghauser Bürgerschützengilde
aus der Zeit um 1600: „Wenn der Vogel gefallen und der König durch den letzten
Schuss ermittelt war, wurde letzterem ein silbernes Schützenvögelchen
umgehängt, und als Gewinn setzte ihm der König des vergangenen Jahres einen
neuen Königshut auf den Kopf."
Ähnlich dürfte es zu dieser Zeit auch in Emsdetten
abgelaufen sein: In der Festschrift anläßlich des
75jährigen Bestehens der Vereinigten Schützengesellschaften im Jahre 1996
findet sich auf Seite 29 eine Zeichnung von Heinz Mussenbrock,
die den König ohne Schützenkette, statt dessen aber mit einem Dreispitz (alter
Hut) auf dem Kopf zeigt, an dem ein Sibervogel hängt.
In der Bildunterschrift heißt es: „In Emsdetten, wo in früheren Zeiten alle
drei Jahre ein Kirchspielvogelschießen stattfand, erhielt derjenige, der den
Vogel abschoss, einen mit Bändern und einem Vogel geschmückten Hut."
Erwähnenswert ist noch, dass der Silbervogel der
Westumer Einigkeit auch grosse Ähnlichkeit mit
demjenigen der Sankt-Sebastianus-Schützenbruderschaft
in Köln-Flittard aufweist. Dieser Silbervogel aus dem
Jahre 1594 stellt einen Papagei dar, was an der gedrungenen Körperform und dem
kurzen, dicken Schnabel klar erkennbar ist. Der Schützenkönig wurde damals als
Papageienkönig bezeichnet und trug den Silberpapagei an einer Kette um den Hals.
Es wird vermutet, dass die ersten Papageien von den Kreuzfahrern aus dem Orient
mitgebracht wurden und sich gegen Ende der Kreuzzüge mit der Verbreitung von
Bogen und Armbrust die ersten Schützengesellschaften bildeten, die sich
beispielsweise Papageiengilde, Papageiengesellschaft oder Papacompanie
nannten. Geschossen wurde damals auf einen Holzpapagei.
Leider wird man wohl nicht mehr ermitteln können, ob
vor 400 Jahren im Aechterhoek auf einen hölzernen
Papagei statt wie heute auf einen hölzernen Adler geschossen wurde. Ganz sicher
weiss man aber, dass in den achtziger Jahren des
letzten Jahrhunderts auch schon mal auf eine ausgestopfte Möwe geschossen
wurde, denn daran können sich die meisten Schützenbrüder noch lebhaft
erinnern...